JEAN GENET, DER HERRLICHE LÜGNER - Tahar Ben Jelloun
1974, als Genet und Tahar Ben Jelloun sich zum ersten Mal treffen, hat Genet längst nichts mehr gemein mit dem legendären Schriftsteller-Dieb, dem Heiligen und Märtyrer der 1950er und 60er Jahre. Er schreibt kaum noch und hat die Verbindung zu Sartre und Cocteau lange gekappt. Der politische Mensch Genet aber ist nach wie vor kreativ und ungezähmt. Leidenschaftlich engagiert er sich z.B. für die revolutionären Bewegungen der Black Panthers und der Palästinenser. In den folgenden Jahren, in denen Genet mal abtaucht, mal auftaucht, stößt er neue Projekte an und setzt sie wiederholt gemeinsam mit Tahar Ben Jelloun um: Interviews, Artikel, Drehbücher, Übersetzungen ... Bei aller Aufruhr, die seine politischen Interventionen regelmäßig in der Öffentlichkeit auslösen, durchlebt Genet selbst immer wieder Phasen extremer Zweifel, die auf seine große emotionale Zerbrechlichkeit hinweisen. Und was der Öffentlichkeit in diesen Jahren gänzlich entgeht, ist, dass der zu dieser Zeit bereits schwer kranke Genet alle verbleibende Energie in sein letztes großes Werk investiert, das er unmittelbar vor seinem Tod im April 1986 abschließt: Ein verliebter Gefangener. Tahar Ben Jelloun zeichnet ein eindrucksvolles und bewegendes Porträt des geheimnisvollen und oft falsch verstandenen französischen Dichters Jean Genet. Gleichzeitig lässt dieser Text die aufregenden und drängenden politischen und intellektuellen Debatten der ausgehenden 70er und frühen 80er Jahre wieder aufleben. Die Konflikte, um die es damals ging, sind im Grundsätzlichen so ungelöst wie damals.