Pasolini's Bodies and Places: Edited by Michele Mancini and Giuseppe Perrella

79,00 €

edition patrick frey  .   2. Edition 2018  . reprint of 1981   .   Englisch   .    hardcover 640 pages   .   978-3906803418

 

Um 1980 in Rom produzierte eine kleine Kooperative um die Filmkritiker Michele Mancini (1947-2005) und Giuseppe Perrella (*1947) ein mysteriöses, gleichermassen elaboriert wie mühelos erscheinendes 600-seitiges Schwarz-Weiss-Bilderbuch mit dem Titel Pier Paolo Pasolini: Corpi e Luoghi (Theorema 1981). In einem seinerzeit vielfältigen Umfeld kultureller und politischer Praxis wurde die Publikation als für die „künftige Pasolini-Forschung unverzichtbares Mittel“ gefeiert. Vergessen und längst vergriffen ist „Corpi e Luoghi“ heute noch immer, wie es damals eine Rezension bezeichnete, „das pasolinischste Buch aller Zeiten.“

Wo auch immer das Buch aufgeschlagen wird, mit ihrer ebenso sturen wie verspielten Klassifikation von knapp 2000 Filmstills nach „Körpern“ und „Orten“ – und einer Unzahl von Unterkategorien mit jeweils weiteren Unterkategorien – eröffnen Mancini und Perrella einen sich stets aufs Neue zusammensetzenden Raum. Dabei kehren einige Bilder auch in verschiedenen Kategorien wieder. Wie Pasolini’s Filme ist „Corpi e Luoghi“ so dicht an seinem Gegenstand entwickelt, dass jenseits des Einzelbildes niemals etwas Allgemeines oder „Reines“ unbefragt Bestand hat. Mit einer versteckten Referenz auf Walter Benjamin und die entsprechend revolutionäre Haltung ist das Zitieren hier als „Aneignung“ zu verstehen, als praktische Anwendung eines bestimmten Materials. Analog zum obersten Gebot des grossen Regisseurs ist Pier Paolo Pasolini: Corpi e Luoghi offenbar der kolossale Versuch, dieses gewaltige Material in Form eines Buches dorthin zu bringen, wo es hindrängt. Mancini und Perrella reflektieren ihr Vorgehen in einem begleitenden Text, der in seiner Dichte den Autoren allerdings vor allem zum Selbstverständnis ihres eigenen Schaffens zu dienen scheint. Die Haltung findet sich auch hier: ohne Anführungszeichen, ohne ein Fussnote, ohne jemals einen Namen zu nennen (abgesehen von „PPP“ und einigen SchauspielerInnen), zitieren die Autoren nicht nur Pasolini, sondern eine ganze Reihe weiterer Autoren Kritischer Theorie seit Marx und Freud.

Die von Ann Goldstein übersetzte und von Benedikt Reichenbach herausgegebene quasi-faksimilierte englischen Neuauflage mit dem Titel Pasolini’s Bodies and Places, versteht sich als erster Schritt zur Erschließung dieses Werkes. Ein Supplement soll als Anstoss dienen für eine Diskussion von Zusammenhängen auch zu anderen Publikationen von Mancini und Perrella, nicht zuletzt zu einer von den beiden Autoren Ende der 1970er Jahre herausgegebenen Filmzeitschrift mit dem Titel Fiction. Cinema e pratiche dell’immaginario (1977-1980). Folgen wir der Argumentation von „Corpi e Luoghi“, dann liegen Mysterium und Wahrheit des Werkes genau dort, wohin wir mit ihm zunächst nur sehen können. In seiner formalen Eigenständigkeit und seiner radikalen Haltung gegenüber sowohl wissenschaftlichen Standards als auch linker Politik hat die Publikation knapp vierzig Jahre nach Erscheinen nicht zuletzt auch die Wirkung eines Künstlerbuches. Dem Konvolut von Bildzitaten vorangestellt sind kurze, damals unveröffentlichte Texte von Pasolini. Übersetzt von Stephen Sartarelli werden diese hier zum ersten Mal auf Englisch publiziert.
Das Buch enthält auch den italienischen Originaltext.